Isabel Kreitz
Sprung in die Üppigkeit

15. bis 18. Juni 2006

Öffnungszeiten: Do 12–19, Fr/Sa 10–19, So 10–18 Uhr
Großer Saal
Kongresszentrum Heinrich-Lades-Halle

Irgendwie wollen die meisten deutschen Comiczeichner mit ihrem Oeuvre das ganz Andere, das Besondere, vielleicht die Avantgarde. Und wenn es schon populär sein muss, dann wenigstens Pop Art. Ganz ohne Kunstbegriff geht es bei ihnen kaum. Nicht so bei Isabel Kreitz, der Hamburgerin mit dem Geburtsjahr 1967. Ihr war es bereits unheimlich, dass man sie beim Studium an der Fachhochschule für Kunst und Gestaltung in Hamburg zur Künstlerin ausbilden wollte, ohne ihr zugleich mitzugeben, wie man von der Kunst leben kann. Sie hat das Zeichnen von Comics stets vor allem als Handwerk betrachtet, dienlich dazu, Geschichten zu erzählen, durchaus Geschichten mit Tiefgang, mit Rückblicken in die Zeitgeschichte, mit Seitenblicken auf die sozialen Zustände der Gegenwart, auch und ganz besonders mit Bezügen zur Literatur. Doch diese Geschichten sollten ohne Schnörkel lesbar sein, die Bilder ohne Anstrengung zu entschlüsseln, die Charaktere der Figuren prägnant in einem zeichenhaften Realismus.
Deswegen hat Isabel Kreitz die Fakultäten und die Länder gewechselt und sich für drei Trimester an der Parsons School in New York eingeschrieben. In den USA wird die Kunstdebatte in Sachen Comic Strips noch nicht so laut geführt, wie in Europa. Ein ehemaliger Marvel-Zeichner hat das Handwerk von Isabel Kreitz perfektioniert. Danach wollte sie ihr Studium in Hamburg doch noch beenden und legte als Abschlussarbeit die erste Comic-Erzählung um Ralf, den U-Bahn-Surfer vor, die später als Album erschienen ist. Sie hatte ihren Stil gefunden: rau und gradlinig, realistisch wie Beton, Schwarz und Weiß die Farben, die Schattenflächen zuerst beinahe haptisch schraffiert, später, seit dem Album „Waffenhändler“, auch mit Sepia laviert. Für ausstellungsreif hielt sie ihre Geschichten aber weiterhin nicht. In einem Interview erläuterte sie, warum: „Die Einzelseite hat keine Aussage, da die Narration fehlt...Es ist typisch für die deutsche Haltung zum Comic, sich selbige in Ausstellungen ansehen zu wollen, statt in den Comicladen zu gehen.“
Wenn auf dem 12. Internationalen Comic-Salon Erlangen trotzdem Blätter von Isabel Kreitz ausgestellt werden, dann mag das daran liegen, dass sie mit ihrer jüngsten Arbeit auch den Stil modifiziert hat. Sie, deren großes Wunschprojekt eine Comic-Version von Thomas Manns „Buddenbrooks“ ist, hat Erich Kästners Kinderroman „Der 35. Mai“ als Bilderzählung adaptiert. Kästners Ausflug in die Fantasy handelt von einer exotischen Reise durch einen Schrank über die Südsee in einen Schulaufsatz. Für diese Geschichte traut sich Isabel Kreitz erstmals konsequent Farbe zu, sowie eine perspektivische Tiefe, mit der sie bisher sehr verhalten umgegangen ist. Außerdem sind ihre Zeichnungen eine Hommage an Walter Trier, der Kästners frühe Kinderbücher illustriert hat. Sie zitiert Triers Strich, seine Figurengestaltung und Farbgebung, entwickelt aber alle Formelemente weiter in die Bewegungen der grafischen Narration. Isabel Kreitz auf dem Sprung in eine neue Üppigkeit – eine interessante Wendung der fleißigen Comic-Handwerkerin.
Herbert Heinzelmann

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