Michel Plessix’ Der Wind in den Weiden
Abenteuer auf dem Fluss - Activity-Ausstellung für Kids

15. bis 18. Juni 2006

Öffnungszeiten: Do 12–19, Fr/Sa 10–19, So 10–18 Uhr
Foyer, 1. Stock
Rathaus

Im zweiten Band seines Comic-Entwicklungsromans über Julian Boisvert mit dem Titel „Daniel“ hat Michel Plessix einen Basset namens Gilbert eingeführt. Von da an wurde Julian B.s Geschichte immer wieder durch den Hundeblick gebrochen und kommentiert. In „Charles“, dem vierten und letzten Band des Zyklus aus den frühen 1990er Jahren, durfte Gilbert dann seine eigene Liebesgeschichte erleben. Das letzte Bild der ganzen Serie gehört dem Hund. Stolz schaut er in eine Fotokamera, während seine Jungen auf ihm tollen.
Da war es konsequent, dass Plessix in seinem nächsten Projekt die Tiere ins Zentrum und die Menschen an den Rand der Erzählung stellte. Er adaptierte einen literarischen Klassiker für die Strips: Kenneth Grahames Roman „Der Wind in den Weiden“ aus dem Jahr 1908 – Das ist die Geschichte von Maulwurf, Ratte, Dachs und Kröte und von ihren Abenteuern auf dem Fluss („Der Wind in den Weiden“ von Michel Plessix, erschienen bei Carlsen, erhielt 2000 den Max und Moritz-Preis in der Kategorie Bester deutschsprachiger Kinder- und Jugend-Comic). Der englische Bankdirektor Grahame hatte sie für seinen Sohn aufgeschrieben und damit Generationen von Kindern und Erwachsenen begeistert, denn es geht um ein Thema, das alle immer wieder beschäftigt: um den melancholischen Verlust des Gehabten im unaufhaltsamen Fortschritt der Zeit. Damit stellte sich Plessix einer großen Tradition, denn das Buch war immer wieder prominent illustriert, u. a. von E. H. Shepard („Winnie the Pooh“), und mehrfach animiert verfilmt worden, auch von Walt Disney. Michel Plessix, 1959 in der Bretagne geboren und nach einem Medizinstudium über Assistenzarbeit an der Serie „Spirou und Fantasio“ zum Comiczeichner berufen, musste die Fabel für die 1990er Jahre gestalten. Das gelang ihm, indem er den apokalyptischen Bibelton, mit dem Grahame den Verlust der Natur und ihrer Mystik beklagte, auf eine leicht poetisierte Umgangssprache reduzierte, sich sonst aber konsequent aller Mode verweigerte. Der Zeichenstil ist detailreich, beinahe viktorianisch, die Gliederung der Seiten in Panels vermeidet inszenatorische Aufgeregtheiten, erzählt die eine Szene kleinteilig und beinahe filmisch in einer Folge von Bewegungsbildern, öffnet sich dann aber zu Landschaftspanoramen wie in Cinemascope. Sehr filmisch ist auch der Wechsel von extremen Großaufnahmen der Tiergesichter, die ihnen eine ganz emotionelle Mimik zuschreiben, zu Totalen voller Stimmungsvaleurs.
Diese Stimmungen machen den besonderen Reiz von Plessix’ Comic-Adaption des Kinderbuches aus. Er erzielt sie mit pastosen Farben, mit Gouachetechniken wie auf Glasbildern. Sie machen die Story noch dort fein, zerbrechlich und durchsichtig, wo der Kröterich sich asozial gebärdet und deswegen mit heftigen Strafen bedroht wird. Ganze Erzählpassagen legt Plessix unter einen dominanten Farbton (z. B. den Anfang von Band 3 unter Blau), wie man einst im Stummfilm Sequenzen viragierte. So nimmt er den Leser atmosphärisch gefangen, fesselt die Kinder mit überzeugenden Charakteren und vermittelt den Erwachsenen etwas von den Möglichkeiten des Schönen in der Bilderzählung.
Die interaktive Ausstellungs-Installation, die von den Veranstaltern des Comic-Festivals Amiens entwickelt und für den 12. Internationalen Comic-Salon Erlangen ins Deutsche übertragen wurde, lässt die jungen Besucher in die Welt von „Der Wind in den Weiden“ eintauchen. Eine Ausstellung, die Kindern Spaß machen und die mit Plessix’ faszinierenden Originalen auch erwachsene Besucher in ihren Bann ziehen wird.
Herbert Heinzelmann

Eine Ausstellung des Internationalen Comic-Salons Erlangen in Zusammenarbeit mit dem Festival de la Bande Dessinée Amiens/Frankreich und mit Unterstützung von Carlsen Comics.

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