Flix
Das Leben als Comic noch einmal

15. bis 18. Juni 2006

Öffnungszeiten: Do 12–19, Fr/Sa 10–19, So 10–18 Uhr
Großer Saal
Kongresszentrum Heinrich-Lades-Halle

Was kann Flix noch passieren? Seinen Tod hat er schon erlebt, wenigstens im Comic. Er hat ihn sogar selbst entworfen, denn der Tod gehört ja zum Leben wie die Geburt, das Älterwerden, das Lernen, der Job, das Verlieben, die Illusion von der Ewigkeit der schönen Gefühle, das Ende dieser Ewigkeit, die riesige Einsamkeit, die einen in die Gruppentherapie treibt, und das Erwachen und der Neuanfang. Flix hat von all dem erzählt, festgemacht an seiner eigenen Person. Er gilt als der deutsche Vertreter der internationalen Welle autobiografischer Comics. Aber das Leben ist dann doch anders, als die Verdichtung, in die es ein Comic umschreibt. Sonst wäre es für den Leser kaum zu ertragen – vor Banalität oder vor Horror. Diese Verdichtung in der Narration ist das große Talent von Flix. Wie er seine Geschichten anstößt, filmisch fast, wie er Befindlichkeiten visualisiert und verfremdet – sei es mit den Kopf-Monstern in „Held“, sei es mit dem kommentierenden Gitarrenspieler in „Sag was“ – das kennzeichnet einen großen Erzähler, dessen Tonfall noch dazu jede Anstrengung vermeidet.
Felix Görmann, der sich selbst Flix nennt und behauptet, das sei ein katalanischer Name, ist als sein eigener Comic-Held inzwischen 30 Jahre alt. Er gehört der neuen Generation deutscher Zeichner mit Fachausbildung an, hat in Saarbrücken und Barcelona Kommunikationsdesign studiert und die Autobiografie als Diplomthema angemeldet. Dieser Akt wird einen Akzent auf alle Biografien setzen, die man über ihn schreibt. Wie die meisten seiner Generations-Kollegen schert er sich wenig um Narrations-Theorien und um die langen Schatten der Geschichte des Comic-Mediums, sondern zeichnet drauflos, vielleicht einem Vorbild folgend, das er selbst benennt: Lewis Trondheim. Auch der beschreibt sein Leben, wenngleich in Tiermaske. Flix hat eine Funny-Maske aufgesetzt. Er spiegelt sich in einer Knuddel-Figur, deren Anatomie auf Grundformen verkürzt ist und die, je nach emotioneller Lage, in leere Panels gestellt wird oder sich in detailliert entworfenen Wohn- und Außenwelten bewegt. Flix’ Panel-Inszenierung ist konservativ, doch in Gefühlshöhepunkten lässt er ruckartig alle Panelgitter fallen und stellt seine Figuren in eine Bildtotale. Oder er macht hinter dem Gitterraster ein Gesamtbild kenntlich, durch das seine Helden gleichzeitig in verschiedenen Zeitphasen marschieren.
Kaum war Flix auf der deutschen Szene aufgetaucht, konnte er sich 2004 schon den Max und Moritz-Preis für die Beste deutschsprachige Comicpublikation in Eigenproduktion mit Jens Harder teilen. Das hat er seiner Gabe zur genauen (Selbst-) Beobachtung zu verdanken. Was er beobachtet, bearbeitet er mit Ironie, also mit jener Distanzierung, die Witz erzeugt wie Melancholie. Mit seiner Kunst wiederholt Flix die Welt nicht, er kommentiert sie, allerdings nicht mit den markanten Tönen eines Leitartiklers, sondern mit dem empathischen Flüstern eines zufälligen Voyeurs, der seinem Nachbarn berichtet, was er gerade ganz Schönes oder furchtbar Peinliches im Blick hat.
In diesem Jahr ist er für den Max und Moritz-Preis in der Kategorie Bester deutschsprachiger Comic-Künstler nominiert. (Siehe Rubrik Max und Moritz-Preis)
Herbert Heinzelmann

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